von Kai Lindman
So etwas hatte ich bis dahin in dieser Form noch nie gesehen. Da haben sich drei Kerle – alle mit numismatischer Bildung und fest verwurzelt im Sammelgeschäft – hingesetzt, oder was man sonst noch so macht, wenn man alleine oder gemeinsam seinem Sammlergaul die Sporen gibt, und haben genau das auf das Allerfeinste konsequent, unnachgiebig und kenntnisreich bis zum bitteren Ende durchgezogen.
Bitter war das Ende allerdings nicht für das Projekt, sondern für den Sammlergaul, der nach diesem Parforceritt durch knapp 200 Jahre Erfurter Wirtschaftsgeschichte wohl nur noch an Ruhe, Hafer und Stall gedacht haben mag. Für die drei „Täter“ allerdings ging die Sache anders aus. Eines Tages lag das fertige Produkt aller Mühen vor ihnen, wenn auch die letzten Schritte auf dem Weg zurückgelegt wurden mit der Unterstützung von Drucker und Buchbinder. (So ein altes, schönes Handwerk! – und heute macht es eine Maschine. Aber wir sollten den alten Zeiten in diesem Fall nicht nachtrauern. Hätte da wirklich ein Buchbinder Hand angelegt und die Blätter mit der Nadel zusammengepfriemelt, könnten wir uns dies vortreffliche Buch wohl kaum leisten.)
Und vortrefflich ist das, was da als Ergebnis herausgekommen ist, allemal! Man wird schier überfordert von der Fülle des Materials und der Informationen, und man mag kaum glauben, was sich da alles in Omas Nähkästchen, Opas Schreibtischschubladen und diversen verstaubten Regalen in städtischen Abstellkammern und Archiven zum großen Thema Wirtschaftsgeschichte angefunden hat. Und doch ist das noch nicht alles! Zusätzlich hat man noch aus nahen und fernen Winkeln unserer Republik Material bei ähnlich begeisterten Sammlern zusammengetragen. Herausgekommen ist ein herrlich buntes Kompendium, das mit so vielen Informationen aufwartet, dass man eifrig damit zu tun haben wird, sich wie einst die Bücherwürmer durch das Werk zu fressen, nur um dann die Tour vor lauter Begeisterung noch einmal in umgekehrter Reihenfolge zu absolvieren.
Ich habe während meiner Sammlertätigkeit viele bunte Scheine gesehen, aber dies Buch bricht alle Rekorde, nicht wegen der Menge der Scheine, sondern wegen der akribisch zusammengetragenen Belege unterschiedlichster Bedeutung. Es ist kaum zu glauben, was in der DDR alles an Formularen, Urkunden und Scheinen produziert worden ist, nur um die Wirtschaft irgendwie immer weiter laufen zu lassen, obwohl jeder wusste, dass der Lack ab war. Trotz der vielen bereits erfassten Notgeldscheine, Banknoten und sonstigen Belege bin ich sicher, dass irgendwo immer wieder ein bis dahin unbekannter Schein auftauchen wird. Das ist keine Kritik an den Autoren, sondern eine aus der Erfahrung geborene Feststellung!
Ich kann dieses Buch nur uneingeschränkt empfehlen! Allerdings gibt es doch noch einen Fehler zu korrigieren: Da behauptet das Werk auf der Titelseite keck, es sei ein „Katalog“. Pustekuchen, Ihr Lieben! Wenn das kein Handbuch ist…
Hans-Peter Brachmański/Torsten Pappler/Ringo Staudt – Erfurter Papiergeld und geldähnliche Belege von 1813 bis 2001, Erfurt 2020, 205 Seiten, DIN A4, 27 Euro